Definition
Der Situationsansatz ist ein sozialpädagogisches Konzept der frühen 70-iger Jahre, das die Begleitung von Kindern in Kindertageseinrichtungen mit den Zielen Autonomie, Solidarität und Kompetenz zum Inhalt hat. Dabei werden die für die Kinder relevanten Schlüsselsituationen identifiziert, in denen eine optimale Vorbereitung auf die Zukunft erfolgen kann. Fünf Dimensionen charakterisieren den Situationsansatz: Bildung, Partizipation, Gleichheit und Anerkennung von Verschiedenheit, Einheit von Inhalt und Form und Lebensweltorientierung. Diese Begriffe konkretisieren sich in den 16 konzeptionellen Grundsätzen:
Bernhard O. Schoch/commons.wikimedia.org
Der Situationsansatz und Montessori
Obwohl zeitlich über 70 Jahre zwischen der Montessori-Pädagogik und dem Situationsansatz liegen, gibt es verblüffend viele Übereinstimmungen. An dieser Stelle seien 3 Grundsätze des Situationsansatzes herausgegriffen, die gut mit den Ideen von Maria Montessori zusammengehen:
- Grundsatz 10: Integration/Inklusion
Der Situationsansatz spricht sich für ein gemeinsames Leben und Lernen von nicht-behinderten und behinderten Kindern aus.
Auch Montessori-Einrichtungen sind überwiegend integrativ oder inklusiv angelegt, so dass behinderte Kinder in einer Einrichtung vollkommen integriert werden und gleichzeitig nicht-behinderte Kinder im Umgang mit behinderten Kindern ihre sozialen Kompetenzen enorm erweitern können.
- Grundsatz 13: Eltern und Erzieher*innen als Erziehungspartner
Die Erzieher*in oder Lehrer*in ist schon lange keine Autorität mehr, die niemals in Frage gestellt wird. In der modernen Pädagogik geht es vielmehr darum, dass die Kinder sich selbst Entdeckungen machen und sich Lerninhalte erarbeiten. Die Pädagog*innen sind dabei nur Partner*innen, oder, wie die Montessoripädagogik sie nennt, Lernbegleiter*innen. Glücklich ist die Lernbegleiter*in erst dann, wenn die Kinder ohne sie auskommen.
- Grundsatz 11: Anregende Raumgestaltung
Der Situationsansatz betont, wie wichtig eine anregende Umgebung für das Wohlbefinden und die Entfaltung der Kinder ist. Die Reggio-Pädagogik spricht sogar von der Umgebung als dem 3. Erzieher.
Ein Montessori-Raum ist wie eine freundliche Einladung und Aufforderung, die offen präsentierten Materialien herauszunehmen und auszuprobieren. Das Kind erhält durch die offenen Regale auf Augenhöhe einen starken Impuls, die Materialien genauer zu untersuchen und auszuprobieren.
Der Situationsansatz bietet also viele Übereinstimmungen mit der wesentlich älteren Montessori-Pädagogik. Diese Tatsache kann man durchaus als Bestätigung beider pädagogischen Konzepte sehen. Auf gute Ideen gibt es oft kein Patent. Aber wenn verschiedene pädagogische Strömungen wirklich das Kind und seine Bedürfnisse in den Fokus nehmen, dann werden sie auch immer wieder auf diesselben Grundwahrheiten stossen
Bildnachweis: ©shutterstock/wavebreakmedia/ Rawpixel.com/Marko Poplasen Autorin: Marie Laschitz