Die junge und engagierte Grundschullehrerin Jana begeistert sich für die Montessoripädagogik. Einziger Haken: Sie unterrichtet an einer Regelschule. Ist es möglich, einzelne Elemente der Montessoripädagogik in den Alltag an einer Regelschule miteinzubauen? Oder stehen sich hier zwei sich wiedersprechende Systeme gegenüber? PädagogInnen, denen es ähnlich wie Jana geht, versuchen wir mit diesem Artikel eine Antwort zu geben.
Die Montessori-Methode hat sich seit ihrer Entstehung vor über hundert Jahren zu einer revolutionären Art des Lernens entwickelt, die Kinder in den Mittelpunkt stellt und ihre individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten berücksichtigen. Sie bietet zahlreiche Ansätze, die auch im herkömmlichen Unterricht von großem Nutzen sein können. Einer dieser Ansätze ist die Schaffung einer vorbereiteten Umgebung. In einem Montessori-Klassenzimmer finden Kinder Materialien vor, die speziell für ihre Altersgruppe entwickelt wurden. Diese Materialien sind so gestaltet, dass sie den natürlichen Entdeckungsdrang der Kinder ansprechen und ihnen ermöglichen, eigenständig zu lernen. Von einfachen Holzblöcken bis hin zu komplexen mathematischen Materialien - jedes Material hat einen spezifischen Zweck und fördert die Entwicklung bestimmter Fähigkeiten.
Dieser Ansatz kann auch im herkömmlichen Unterricht angewendet werden. Indem Lehrkräfte eine Umgebung schaffen, in der Schülerinnen und Schüler Zugang zu verschiedenen Lernmaterialien haben, können sie deren individuelle Bedürfnisse besser erfüllen. Dies kann beispielsweise durch das Einrichten von Lernstationen oder das Bereitstellen von verschiedenen Materialien für unterschiedliche Lernstile geschehen. Indem Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, eigenständig zu lernen und ihre eigenen Interessen zu verfolgen, werden sie motivierter und engagierter sein.
Ein weiterer hilfreicher Ansatz der Montessori-Pädagogik ist die Rolle des Pädagogen. Statt als Wissensvermittler tritt der Lehrer als Begleiter und Beobachter auf. Er beobachtet die Schülerinnen und Schüler genau, erkennt ihre individuellen Bedürfnisse und unterstützt sie dabei, ihre eigenen Lernwege zu finden. Der Pädagoge schafft eine Atmosphäre des Respekts und der Wertschätzung, in der sich die Kinder sicher fühlen und ihr volles Potenzial entfalten können.
Auch im herkömmlichen Unterricht kann diese Rolle des Pädagogen übernommen werden. Indem Lehrkräfte den Schülerinnen und Schülern Raum geben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und ihre Interessen zu verfolgen, ermöglichen sie ihnen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Durch gezielte Beobachtung können Lehrkräfte erkennen, welche Unterstützung einzelne Schülerinnen und Schüler benötigen und wie sie am besten gefördert werden können.
Montessori geht jedoch über das Klassenzimmer hinaus. Es ist eine Lebensphilosophie, die darauf abzielt, Kinder zu selbstbewussten, unabhängigen und verantwortungsbewussten Menschen heranzuziehen. Die Montessori-Pädagogik legt großen Wert auf soziale Kompetenzen, wie zum Beispiel das Erlernen von Konfliktlösungsstrategien oder das Entwickeln von Empathie. Diese Aspekte können auch im herkömmlichen Unterricht von großer Bedeutung sein.
Die Montessori-Pädagogik legt weiter großen Wert auf die Entwicklung sozialer Kompetenzen und die Förderung der Gemeinschaft. Dies kann durch kooperative Lernmethoden und Gruppenarbeit erreicht werden. Indem Schülerinnen und Schüler in Gruppen arbeiten, lernen sie, zusammenzuarbeiten, sich gegenseitig zu unterstützen und Konflikte konstruktiv zu lösen. Dies fördert nicht nur ihre sozialen Fähigkeiten, sondern ermöglicht ihnen auch, voneinander zu lernen und verschiedene Perspektiven einzunehmen.
Ein weiterer hilfreicher Ansatz der Montessori-Pädagogik ist die Betonung des selbstbestimmten Lernens. In einem Montessori-Klassenzimmer haben Kinder die Freiheit, ihre eigenen Interessen zu verfolgen und ihr eigenes Lerntempo zu bestimmen. Dies ermöglicht es ihnen, ein tieferes Verständnis für das Gelernte zu entwickeln und ihre intrinsische Motivation zu stärken.
Auch im herkömmlichen Unterricht können Lehrkräfte den Schülerinnen und Schülern mehr Autonomie geben. Indem sie ihnen die Möglichkeit geben, eigene Projekte zu wählen oder ihre eigenen Forschungsfragen zu stellen, werden sie motivierter sein und ein größeres Engagement zeigen. Lehrkräfte können auch individuelle Lernpläne erstellen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden.
Die Montessori-Pädagogik betont auch die Bedeutung des praktischen Lernens. Kinder lernen am besten, wenn sie aktiv in den Lernprozess einbezogen sind und praktische Erfahrungen machen können. Dies kann durch Experimente, Projekte oder praktische Übungen erreicht werden.
Im herkömmlichen Unterricht können Lehrkräfte praktisches Lernen fördern, indem sie den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, selbstständig zu experimentieren und Probleme zu lösen. Durch das Einbeziehen von realen Beispielen und Anwendungen können Lehrkräfte den Schülerinnen und Schülern helfen, ein tieferes Verständnis für das Gelernte zu entwickeln und es auf ihre eigene Lebenswelt zu übertragen.
Die Montessori-Pädagogik bietet viele hilfreiche Ansätze für den Unterricht, die auch im herkömmlichen Bildungssystem von großem Nutzen sein können. Indem wir eine vorbereitete Umgebung schaffen, die individuellen Bedürfnissen gerecht wird, die Rolle des Pädagogen als Begleiter und Beobachter übernehmen, soziale Kompetenzen fördern, selbstbestimmtes Lernen ermöglichen und praktisches Lernen integrieren, können wir eine inspirierende Lernumgebung schaffen, in der Schülerinnen und Schüler ihr volles Potenzial entfalten können.
Jana hat das Experiment gewagt und in ihrer 1. Klasse Montessorimaterialien und -prinzipien eingeführt. Kinder und Eltern sind davon sehr inspiriert und auch KollegInnen interessieren sich für ihren Ansatz.
Wir denken, dass sich die Pädagogik von Maria Montessori sehr gut an einer Regelschule verwirklichen lässt. Dennoch ist es ein zusätzlicher Gewinn für die Lehrkräfte und SchülerInnen, wenn die ganze Schule nach Montessori ausgerichtet ist.
Autorin: Marie Laschitz, Bild: Shutterstock