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Montessori Pädagogik

Montessori ist Lernen ohne Zwang

12 May, 2022

Montessori ist Lernen ohne Zwang

Es gibt da diesen Effekt: Sobald etwas Pflicht ist, verliert man daran die Lust. Bestimmt haben Sie das auch schon einmal erlebt. Genau so geht es vielen Kindern mit dem Lernen. Als Kleinkinder sind sie wissbegierig und stellen ohne Unterlass Fragen, die die Erwachsenen schnell müde werden zu beantworten. Und was passiert mit diesem allumfassenden Interesse, wenn die Kinder dann die Schulbank drücken müssen? Nicht selten verschwindet es mit der Zeit, besonders wenn Hausaufgaben erledigt und Prüfungen abgelegt werden müssen.

Die Montessori-Pädagogik bedient sich eines Tricks, um das zu vermeiden: Sie lässt es so aussehen, als wäre alles Lernen freiwillig. Und tatsächlich steht die freie Wahl im Mittelpunkt der Lernaktivitäten und ist erste Voraussetzung für die Polarisation der Aufmerksamkeit und den Lernerfolg.

Während der „Freiarbeit“ genannten Arbeitsphase, die einen Großteil der Unterrichtszeit einnimmt, dürfen und sollen die Kinder eigenständig wählen, womit sie sich beschäftigen. Dabei bestärken sie die unterschiedlichen Materialien, die fein säuberlich in Regalen aufgereiht sind – nach Thema geordnet, auf Sichthöhe der Schüler und Schülerinnen, optisch und haptisch ansprechend gestaltet. Worauf auch immer die Kleinen Lust verspüren, sie können sich damit eingehend beschäftigen (sofern die Sachen gerade frei sind). Es bleibt ihnen überlassen, sich ein Thema auszuwählen, dem sie sich über viele Minuten oder sogar Stunden widmen und manchmal kann eine solche Phase der Vertiefung in eine Thematik über Tage und Wochen gehen. 

Aus meiner eigenen Schulzeit kann ich mich an zwei Kandidaten erinnern, die eine Tendenz dazu hatten, unverhältnismäßig viel Zeit mit ein und derselben Tätigkeit zu verbringen. Sie zeichneten sehr viel, entwarfen auf riesigen weißen Papierbögen mittelalterliche Welten mit Bleistift. Mauern und Türme wurden von filigranen Rittern eingenommen, und so entstand mit der Zeit ein Wimmelbild aus Schlachten. Ich bin mir sicher, dass sie dabei viel über Geschichte gelernt haben, ihre motorischen Fähigkeiten und das soziale Miteinander trainiert und nicht zuletzt ihre individuelle Persönlichkeit gestärkt haben.

Wenn es dann doch zu viel wurde, hat sie unsere sehr geschätzte und relativ strenge Lehrerin mit sanftem Nachdruck dazu gebracht, sich wieder ernsthafteren Inhalten zuzuwenden. Die beiden Jungs hatten eine sehr glückliche Zeit, und waren, soweit ich mich erinnere, keine schlechten Schüler.

Wenn die freie Wahl nicht vielfältig genug ist, dann zeigt die Pädagogin Alternativen auf und erinnert an Grenzen und Regeln, die die Voraussetzung für Freiarbeit sind. Ein Lehrer agiert dabei als Partner und Berater seiner Schüler. Er hilft den Kindern, Dinge selbst zu tun. Vor allem artet dieser sanfte Nachdruck nie in Zwang aus – denn die Freiwilligkeit des Lernens verleiht dem Montessori-System einen riesigen Vorteil im Vergleich zu anderen pädagogischen Ansätzen.

 

                                                   Autorin: Veronika Weiss                                   Bildnachweis: Shutterstock/SUKJAI PHOTO

Freiarbeit