Die Montessoripädagogik ist klassisch und modern zugleich. Sie ist niemals traditionell, im Sinne von: „Altes um des Bewahren willens bewahren“. MontessoripädagogInnen verfügen über ein einmaliges Erbe: Die Hinterlassenschaft einer der größten Pädagoginnen der Vergangenheit. Und diese Hinterlassenschaft in Büchern, in denen sie ihre Gedanken und Erfahrungen mitteilt, ist die Grundlage für eine zeitgemäße und moderne Pädagogik. Es ist nur natürlich, dass klassisches Montessori-Erbe weiterentwickelt oder neu gedacht wird. In diesem Artikel stellen wir euch jeweils ein klassisches und ein heute entwickeltes Montesssorimaterial vor. Macht euch doch selbst einen Eindruck, was euch mehr anspricht oder ob es gerade die Kombination aus beiden Materialien ist, die es euch antut.

Vergleichen wir einmal zwei spannende Materialien aus der Sprachlehre: Die Beweglichen Buchstaben und den Zeitformenkreis. Beide Materialien sollen an Hand der klassischen fünf Kriterien eines Montessorimaterials miteinander betrachtet werden. Diese sind:

1. Die Isolierung der Schwierigkeit
2. Die Fehlerkontrolle
3. Die Ästhetik
4. Die Aktivität
5. Die Begrenzung

Diese Eigenschaften werden im Detail in diesem Artikel von den Montessori Lernwelten erklärt und können gerne nachgelesen werden.

Die Beweglichen Buchstaben sind aus keinem Montessori-Kinderhaus wegzudenken. Sie laden dazu ein, den ganzen Raum zum Unterrichtsfeld zu machen. Das Fenster, die Puppe und das Sofa können mit den Lettern vor Ort bezeichnet werden. Lernen findet so in der realen Umgebung statt und wird dadurch gut im Gedächtnis verankert.

Die Isolierung der Schwierigkeit ist gegeben, weil die Buchstaben nur für sich stehen und nichts von ihnen ablenkt. Die Fehlerkontrolle übernimmt die Lehrkraft oder ein angefertigtes Verzeichnis der verwendeten Wörter. Die Ästhetik ist durch das Material Holz und die schöne Schrift gegeben. Die Aktivität der Kinder wird durch die ausgeschnittene Form der Buchstaben angeregt. Sie haben Freude daran, die Lettern in die Hand zu nehmen, ihre Ränder nachzufahren und sie passend im Raum zu verteilen. Die Begrenzung ist dadurch gegeben, dass jede Gruppe nur über ein Alphabet Beweglicher Buchstaben verfügt. So bleiben sie einmalig und bedeutungsvoll.

Der Zeitformenkreis wurde erst kürzlich von den Montessori Lernwelten entwickelt, um auch für die Sekundarstufe passendes Lernmaterial anzubieten. Damit lassen sich sowohl vorgegebene Zeitformen exakt bestimmen als auch Infinitive in bestimmte Zeitformen umwandeln.

Hier ist die Isolierung der Schwierigkeit gegeben, da sich das Material ausschließlich mit Zeitformen beschäftigt. Die Fehlerkontrolle liegt in Form eines Konjugationsheftes vor, indem die Kinder Zeitformen kontrollieren und selbständig eintragen können. Die Ästhetik ist durch die harmonische Farbgebung und die runde, bewegliche Form gegeben. Die Aktivität der Kinder wird hier angesprochen, indem sie die Scheiben bis zum richtigen Ergebnis hin und her drehen können. Auf der Rückseite können die SchülerInnen eigene Verben eintragen und konjugieren. Das macht nicht nur Spaß, sondern ist auch sehr lerneffektiv. Die Begrenzung ist wiederum dadurch gegeben, dass es nur eine Zeitformenscheibe pro Klasse gibt. Das Material bleibt so wertig und interessant.

Beide Materialien erfüllen also alle fünf Kriterien für „echtes“ Montessori-Material.

Maria Montessori hätte sich wohl eher um eine Weiterentwicklung ihrer pädagogischen Ideen gefreut als um ein stures Festhalten am Althergebrachten.

Autorin: Marie Laschitz