Menschheit ohne Mathematik?
Schließe bitte kurz die Augen und stell dir eine Welt ohne Zahlen vor. Keine Wissenschaft, keine Computer, keine Autos, keine Mathestunden, keine Kühlschränke und keine Bauwerke. Das wäre zwar total klimafreundlich, aber nicht gerade das, was wir unter Zivilisation verstehen. Ohne Mathematik gäbe es übrigens auch keine klassische Musik oder perspektivische Malerei. Die Mathematik bildet das entscheidenste System, das wir Menschen kennen. Ihre Erforschung ist spannend und erstaunlich. Aber wie wurde die Mathematik eigentlich erfunden?
Wie zählten die ersten Menschen?
Stellt euch eine Nacht vor ohne Straßenlaternen, Autoscheinwerfer und Leuchtreklamen. Die Menschen der Urzeit kannten nur solche tiefschwarzen Nächte. Umso strahlender leuchteten die Himmelskörper, die Sterne und der Mond. Die frühen Menschen studierten die Phasen des Mondes und hielten sie mit einfachen Strichzählungen fest, die sie in Stöcke ritzten oder mit Kohle an die Felswand schrieben. Durch Beobachtung lernten sie, dass ein Mondzyklus 28 Tage dauert. So konnten sie berechnen, wie lange ein Monat oder ein Jahr dauerte. Mit Hilfe dieser ersten Kalender wußten die Steinzeitmenschen, wann bestimmte Früchte reif waren.
Wer erfand die Zahlen?
Im fruchtbaren Mesopotamien entwickelte sich vor 6.000 Jahren die erste Hochkultur. Damals gab es bereits riesige Kornspeicher und Lagerhallen, über die genau Buch geführt wurde. Um nicht unzählige Striche zeichnen zu müssen, erfanden die Sumerer, so hießen die Menschen in Mesopotamien, die ersten Zahlen. Sie schrieben sie mit einem Keil auf Tontäfelchen. Ein aufrechter Keil stand für Eins, zwei aufrechte Keile für Zwei usw. Die Zehn wird durch einen liegenden Keil dargestellt, der nach links zeigt. So sparte man beim Schreiben viel Platz und konnte die Zahlen viel schneller erfassen. Ganz schön schlau, nicht wahr? Die Alten Ägypter benützten auch solche symbolischen Zahlen. Die Zahl 100.000 wurde z. B. durch einen Frosch dargestellt. Die antiken Römer verwendeten Buchstaben als Zahlensymbole. Das Jahr 2022 sieht dann so aus: MMXXII.
Und wer erfand die Null?
Zahlen wurden also in verschiedenen Kulturen verwendet. Aber welche Ziffer fehlte noch? Richtig, die Null. In Mesopotamien ließ man für die Null einfach einen Platz frei, aber das führte zu Fehlern, denn die Lücke war nicht von einem Stellvertreter für zwei Nullen zu unterscheiden. Es war ein indischer Mathematiker im 7. Jahrhundert nach Christus, der als erster die Null als Zahl begriff und mit ihr rechnete. Die Form der heutigen Null geht auf das chinesische Zahlensystem im China des 13. Jahrhunderts zurück. Unsere übrigen Ziffern sind indisch-arabischen Ursprungs.
Wie maßen die Menschen erstmals die Zeit?
Ihr habt ja schon von der Beobachtung des Mondes durch die frühen Menschen gehört. Sie kannten bereits Tage, Monate und Jahre. Um die Zeit eines einzelnen Tages anzuzeigen, verwendeten die Mesopotamier und Ägypter Sonnenuhren, die ihnen die einzelnen Stunden anzeigten. Dazu steckten sie einen Stab in die Erde, dessen Schatten die Uhrzeit anzeigte. Solche Sonnenuhren gibt es heute immer noch, oft an alten Gebäuden. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Sonne scheint. Die alten Römer teilten den Tag in 12 Stunden und maßen ihn mit einer Wasseruhr, bei der ein dünner Strahl Wasser von einem Krug in den anderen floss. Die Chinesen verwendeten große Kerzen, um die Uhrzeit zu messen. Im 8. Jahr-hundert wurde die Sanduhr erfunden. Sie war sehr genau, aber musste immer wieder umgedreht werden. Im 14. Jahrhundert tickten dann die ersten mechanischen Uhren, meist von den Kirchtürmen herab. Bis zu deiner Digitaluhr auf dem Handy war es also ein langer Weg. Überhaupt besteht dein ganzes Handy aus purer Mathematik. Es bleibt spannend, wohin die technische Entwicklung des Menschen uns weiter führen wird.
Warum also Mathematik?
Es gibt wohl vor allem zwei Antworten auf diese Frage. Zum einen war der Mensch schon immer praktisch und bequem veranlagt. Er wollte sich das Leben erleichtern und erfand die Mathematik. Zum anderen war unsere Spezies schon immer unendlich neugierig. So waren die Menschen fasziniert von den Himmelserscheinungen und wollten deren Gesetzmäßigkeiten begreifen. Das ging aber nur mit Hilfe von Zahlen und Formeln.
Ob Bequemlichkeit oder Forscherdrang, die Mathematik entwickelte sich im Lauf der Jahrtausende immer weiter und ist aus der modernen Welt überhaupt nicht mehr wegzudenken.Vielleicht können sie ja ihren Kindern diese Gedanken nahebringen, wenn die Mathe-Aufgabe mal wieder so schwierig ist.
Autorin: Marie Laschitz Bilder:Shutterstock/BNP Design Studio/Aree_S/fluidworkshop/Gordana Sermek