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Können Lesehunde wirklich lesen?

22 Sep, 2017

Können Lesehunde wirklich lesen?

Leni und ihr Frauchen sind früh morgens auf dem Weg in die Montessorischule. Beide sind nicht mehr ganz so gut zu Fuß, aber die Vorfreude auf die kommende Stunde lässt sie trotzdem recht zügig durch die Eingangstür der Schule gehen. Sofort wird Leni von Kindern umringt, ausführlich umarmt und gestreichelt. Auch ihr Frauchen wird freundlich begrüßt und zum Klassenzimmer begleitet.

Leni ist ein Lesehund. Sie hat eine Ausbildung zum Therapiehund absolviert und darf jetzt offiziell in einem Verein für tiergestützte Pädagogik mit Leseanfängern arbeiten. Mit ihrem Frauchen ist sie viermal die Woche in verschiedenen Münchner Grundschulen unterwegs.

Natürlich können Lesehunde nicht selber lesen. Aber sie haben eine Eigenschaft, die unter den Menschen nur schwer anzutreffen ist: Leni ist eine unendlich geduldige, wohlwollende und aufmerksame Zuhörerin. Sie strahlt Ruhe und Zufriedenheit aus, wie sie so neben dem 6-jährigen Tim auf dem Boden liegt und genau das gibt dem Jungen das Gefühl, es gut zu machen, selbst wenn die gelesenen Worte noch etwas holpern. Manchmal stellt sich Lenis rechtes Ohr etwas auf und zuckt, dann weiß Tim, dass er richtig gut gelesen hat. Leni hat noch nie den Kopf darüber geschüttelt, wenn sich Tim einmal verliest oder ein Wort nicht herausbringt. Nicht einmal ihre Schnauze rümpft sie über seinen Fehler. Deshalb wird Tim immer zuversichtlicher mit dem Lesen und traut sich jetzt schon richtig lange Texte zu. Nach und nach fasst er in Lenis Anwesenheit Mut und entwickelt Selbstvertrauen und Sicherheit beim Lesen. Und der Junge, der immer etwas ängstlich ist, erlebt neben seinem Lesehund ein Stück Geborgenheit.

Ursprünglich aus Amerika kommend, hat sich die Idee der Lesehunde auch in Deutschland in Schulen, therapeutischen Einrichtungen und Bibliotheken rasant ausgebreitet. Noch gibt es keine einheitlichen Standards und jedes Bundesland handhabt das Projekt anders. Doch werden es ständig mehr Einrichtungen, die Lesehunde zu sich einladen.

Kinder, die noch nicht gut lesen können, lesen meistens auch nicht gern. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen ist die tägliche Aufgabe von Leni und ihren Hundekollegen. Durch Wohlwollen und Geduld erreicht sie oft mehr als mancher allzu ambitionierte Lehrer. Besonders Kinder, die sich durch Kritik oder Belehrung leicht verunsichern und frustrieren lassen, entspannen sich sichtlich in der Anwesenheit eines Lesehundes und trauen sich, mit dem Tier zu sprechen und ihm vorzulesen.

Natürlich dürfen die Kinder mit ihrem Lesehund auch kuscheln und sein Fell streicheln. Das beruhigt die Kinder und schenkt ihnen Sicherheit. Stress wird abgebaut und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten nimmt zu. Nachweislich helfen Lesehunde dabei, die schulischen Leistungen "ihrer" Kinder zu verbessern, ihre Liebe zu Büchern zu wecken und ihre Ängste beim Vorlesen abzubauen.

Natürlich kommen nicht alle Hunde als Lesehunde in Frage. Nur Hunde, die ein absolut freundliches und ausgeglichenes Naturell haben und gut erzogen sind, eignen sich als Lesehund. Viele von ihnen haben bereits eine Ausbildung zum Therapiehund hinter sich. Da so eine Ausbildung Zeit und Geld kostet, ist es nicht ganz fair, dass die meisten Herrchen oder Frauchen mit Lesehund ehrenamtlich arbeiten und dafür keine Entlohnung bekommen. Doch die meisten Hunde-Mensch-Teams, die in Schulen unterwegs sind, sind sich sehr bewusst, wieviel Freude sie den Kindern bringen. Und das ist natürlich auch eine Art Lohn.

 

(c) Shutterstock/ Bar                                                                             Autorin: Marie Laschitz